Baumfalke | HGON Hess. Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Baumfalke

Von Falken und Käfern

Gemeinhin werden bei dem Gedanken an Greifvögel größere Wirbeltiere als Beute assoziiert, etwa Kaninchen oder Tauben. Das ist nicht immer so: Mäusebussarde jagen, wie Turmfalken, vor allem die namensgebenden Kleinsäuger, der Schlangenadler lebt von Schlangen und der Wespenbussard tatsächlich von Wespen und Hummeln. Und der Baumfalke?

Baumfalken sind knapp taubengroße, sehr schmal- und langflügelige Greifvögel. Von „Bäumen“ ernähren sie sich nicht, alle Greifvögel sind auf tierische Nahrung angewiesen.  Aufgrund ihres besonders schnittigen Körperbaus zählen Baumfalken zu den schnellsten Vögeln überhaupt. So jagen sie nicht selten Vögel, oft zum Beispiel Schwalben und selbst die pfeilschnellen Mauersegler. Dennoch sind sie als Langstreckenzieher nur von Mai bis September bei uns anzutreffen – als Vogeljäger könnten sie wie andere Greife aber auch im Winter bleiben. Offenbar ernähren sich die Tiere also zu großen Teilen von einer Beute, die nur im Sommer erreichbar ist, und die man kaum erwarten würde: Sie jagen fliegenden Insekten.

Baumfalke

Wanderfalke, Foto: Christian Gelpke

Insekten sind für einen schnellen Falken einfach und ohne größeren Aufwand zu greifen, sie dürfen aber nicht zu klein sein, um den doch großen Vogel ausreichend zu ernähren. Fliegen und Mücken fallen als mögliche Nahrungsquelle daher  aus. Die Beuteinsekten müssen also groß, aber auch zumindest zeitweise so häufig sein, dass sie für den Falken eine ausreichende Nahrungsgrundlage darstellen. Diese Bedingungen erfüllen in unserem Raum vor allem zwei Gruppen: Käfer und Libellen.

Das mag auf den ersten Blick erstaunen, denn wann sieht man schon einmal Libellen oder Käfer in größerer Anzahl? Aber sobald man die in früheren Zeiten schwärmeweise auftretenden Maikäfer denkt, ist problemlos vorstellbar, dass die Käfermassen auch eine Vielzahl größerer Vögel ernährt haben. Und im Kleinen gibt es das noch heute, wenn die jahr- und gebietsweise stark unterschiedlich vorkommenden Junikäfer schwärmen. Diese kleinere, hellere Ausgabe der bekannten Maikäfer lebt in trockeneren Wiesengebieten, wo die Engerlinge (also die Larven) fast drei Jahre lang von Graswurzeln leben. Im Juni und Juli schlüpfen die offiziell „Gerippte Brachkäfer“ genannten Brummer. Dann fliegen sie in der Abenddämmerung in großer Zahl zu Büschen und Bäumen, von deren Blättern und Blüten sie sich ernähren. Damit naht die Zeit der Baumfalken, die sich an geeigneten Stellen mit teils mehr als 20 Vögeln aus weitem Umkreis versammeln, um gemeinsam die Käfer zu jagen.

In den letzten Wochen ist dieses Phänomen am Segelflugplatz Ziegenhain zu beobachten, wo zehn Baumfalken die Käferschwärme dezimierten. Schaut man den Falken länger zu, verzehren sie pro Minute mindestens eines der leicht zu greifenden Krabbeltiere. In nur einer Stunde sind das 60 bis 100 Käfer, der Baumfalke müsste richterweise also eigentlich „Käferfalke“ oder zumindest „Schwalbenfalke“ heißen.

Arbeitskreis Schwalm-Eder