Vogelzug | HGON Hess. Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Vogelzug

Viele Zugvögel fliegen nachts

Mit „zip“ und „ziieh“ unter dem Sternenzelt

Wer zur Zugzeit in klaren, stillen Sternennächten aufmerksam lauscht, wird immer wieder hohe, kurze Laute vom Nachthimmel hören können. Dabei handelt es sich nicht um Fledermäuse, sondern um nachts nach Süden ziehende Singvögel. Vor allem Rot- und Singdrosseln aus Skandinavien sind in Oktobernächten auf ihrem Weg ans Mittelmeer zu hören.

Während die auch in unseren Wäldern brütende Singdrossel dabei regelmäßig kurz „zip“ ruft, ist die aus Schweden oder Norwegen kommende Rotdrossel an einem langgezogenen, dünnen „ziieh“ zu erkennen. An stillen Plätzen lassen sich in günstigen Nächten, darunter manchmal auch warme Nebelnächte, dutzende dieser Rufe in wenigen Minuten hören – über dem beleuchteten Stadtgebiet genauso wie über dunklen Wäldern. Die Kleinvögel halten mit diesen Rufen Kontakt in der Dunkelheit.

So ungewöhnlich die Vorstellung von nachts und ohne Möglichkeit einer optischen Orientierung ziehenden Kleinvögeln, die dabei auch noch hunderte Kilometer zurücklegen, für uns Menschen ist: Mehr als die Hälfte der gut 500 Millionen Zugvögel, die alljährlich zwischen Alpen und Nordsee ihrem Winterquartier entgegen ziehen, zählen zu den Nachtziehern! Sieht man von der in der Dunkelheit fehlenden Sicht ab, die die Nachtzieher durch eine größere Flughöhe von meist mehr als 200 m kompensieren, um nicht mit Bäumen, Türmen oder Strommasten zu kollidieren, bietet der Nachtzug viele Vorteile. Der Vogelkörper überhitzt aufgrund der kühleren Nachttemperaturen nicht so schnell wie am Tag und es gibt praktisch keine Feinde, die den Zugvögeln gefährlich werden können. Und gerade bei Langstreckenziehern, die südlich der Sahara überwintern und dazu mehrere tausend Kilometer zurücklegen müssen, ganz wichtig: Wer nachts fliegt, kann den Tag zur Nahrungsaufnahme nutzen und seine Energievorräte auffüllen.

So sind neben den beiden Drosselarten vor allem Grasmücken, Laubsänger, Fliegenschnäpper, aber auch Watvögel, Enten und Möwen typische Nachtzieher. Selbst das allbekannte Rotkehlchen oder die in jedem Garten heimische Amsel ziehen fast ausschließlich in der Nacht. Zur Orientierung nutzen viele Arten einen Sternenkompass, andere machen die Linien des Erdmagnetfeldes anhand spezieller Pigmente in ihren Augen sichtbar.

Ob Tag- oder Nachtzieher, täglich müssen die Vögel ihre Energiereserven auffüllen. Dazu nutzen die Drosseln und viele Grasmücken gerne reich mit Beeren behangene Gebüsche und Sträucher, wo sie sich am Tag gut beobachten lassen. Sing- und Rotdrossel sind im Vergleich zur ähnlich gebauten Amsel etwas kleiner und haben eine helle, mit dunklen Flecken versehene Unter- und eine olivbraune Oberseite. Während die Kopfzeichnung der Singdrossel einfarbig ist, zeichnet sich die Rotdrossel neben der charakteristischen rötlichen Flankenzeichnung durch einen hell beigen Überaugenstreif aus.

Diese Rotdrossel stärkt sich mit Beeren, die namensgebenden roten Flanken und der beige Überaugenstreif sind gut zu erkennen_C.Gelpke

Diese Rotdrossel stärkt sich mit Beeren, die namensgebenden roten Flanken und der beige Überaugenstreif sind gut zu erkennen, Foto: Christian Gelpke

Wer den kleinen Nachtpionieren helfen und sich dazu schöne Beobachtungsmöglichkeiten im Garten schaffen will, kann das ganz leicht tun. Heimische Beerensträucher wie Holunder, Schlehe, Weißdorn oder Eberesche im Garten gepflanzt wirken bei reicher Beerentracht wie ein Magnet auf Drosseln und Co.

Arbeitskreis Schwalm-Eder