Ringeltaube | HGON Hess. Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Ringeltaube

Faszinierende „Nervensäge“: Die Ringeltaube

Endlich Wochenende, ausschlafen ist angesagt, doch schon morgens knapp vor fünf ist die Nacht vorbei – im Baum vor dem Schlafzimmerfenster lässt eine große, blaugraue Taube lauthals ihr Balzgurren vernehmen. Verständlich der Scheuch-Reflex, aber Moment: Wir haben es hier mit einem wirklich ungewöhnlichen Vogel zu tun!

Bei den „großen, blaugrauen“ Tauben mit auffallend weißem Fleck am Hals und namensgebender, weißer Flügelbinde handelt es sich um Ringeltauben. Neben diesen kommen in den Ortschaften auch die viel kleinere, beige gefärbte Türkentaube sowie die oft bunt gescheckten, meist in Schwärmen erscheinenden Straßentauben vor. In Wäldern komplettieren die kleineren, ebenfalls blaugrauen Hohltauben (im Unterschied zur Ringeltaube aber ohne weiße Abzeichen), in Heckenlandschaften die oberseits rotbraune Turteltaube das heimische Taubenkonzert.

Die Ringeltaube ist an ihrer Größe, der blaugrauen Färbung und den weißen Abzeichen leicht zu erkennen_Foto S. Pfützke

Die Ringeltaube ist an ihrer Größe, der blaugrauen Färbung und den weißen Abzeichen leicht zu erkennen,Foto: Stefan Pfützke

Die Ringeltaube, die mit ihren gurrenden, fünfsilbigen „ruguh-gu-gugu“ schon Manchen um den verdienten Schlaf gebracht hat, hat ihrerseits eine der spannendsten Geschichten aller heimischen Vogelarten hinter sich. Noch bis in die 1960er Jahre war der Vogel ein sehr scheuer Waldvogel, der unter Jägern als sehr schwer zu bejagen galt. Die Ringeltaube war so aufmerksam wie scheu und brachte sich bei dem kleinsten Anzeichen von Gefahr so schnell in Sicherheit, dass ihr von der Grünen Zunft fast ehrfürchtig „auf jeder Feder ein Auge“ zugeschrieben wurde. Den Winter verbrachte der Zugvogel im Mittelmeerraum.

Wie konnte aus dem scheuen Wald- und Zugvogel einer der häufigsten Stadtvögel werden, der zudem die Wanderung aufgegeben hat und auch in den Ortschaften überwintert?

Aufgrund der Ausweitung des Ackerbaus, vor allem von Mais als beliebter Taubennahrung, milderen Wintern, die den Zugtrieb erlöschen ließen und zunehmender Anpflanzung von zur Brut besonders günstigen Nadelbäumen nahm der Bestand der Ringeltaube ab den 1950er Jahren sehr stark zu. Zwar legt die Art wie alle Tauben pro Gelege trotz ihrer Größe nur zwei Eier, bei bis zu drei Jahresbruten ist jedoch ein deutliches Ausbreitungspotenzial vorhanden. Aus Brutplatzmangel näherten sich die ersten Ringeltauben den Ortschaften an und brüteten hier schließlich auch. Menschen in Siedlungen wurden (im Gegensatz zum Jäger im Wald) schnell als harmlos erkannt, der Bruterfolg und auch die Überlebensrate war in den Ortschaften aufgrund fehlender Feinde besonders hoch und der Bestand der Ringeltaube wuchs sehr schnell an. In der Folge herrschte auch in den Stadtparks wieder Wohnungsnot, worauf die verwegensten Tauben mit Bruten sogar an Hausfassaden und in winzigen Ziergehölzen auf öffentlichen Plätzen und in kleinsten Vorgärten reagierten.

Hier gurren sie allmorgendlich, was aber mit dem Wissen um ihren Ursprung als wilde Waldvögel und ihren langen Weg in die Dörfer und Städte nun vielleicht etwas leichter zu erleben ist.

 

 

Arbeitskreis Schwalm-Eder