Vom Regen in die Traufe…
Vor einem Monat haben wir an dieser Stelle über die Verluste berichtet, die der lange Nachwinter unter unseren Brutvögeln ausgelöst hat. Doch die Durststrecke ist für viele Arten noch nicht zu Ende: Durch die kalten und verregneten letzten Wochen konnten viele Vogeleltern nicht genug Nahrung sammeln, so dass in vielen Nestern die Jungvögel verhungern.
Wer im Garten oder Park darauf achtet, hat das sicher schon feststellen können. Statt der Ende Mai üblichen vielen Jungvögel, die Rasenflächen, Gebüsche und Bäume bevölkern, sind nur vereinzelt junge Amseln oder Stare zu sehen. Die Ursache dafür ist eindeutig: Durch die anhaltend kalte Witterung entwickeln sich weniger der als Nahrung dienenden Insekten als sonst, im Regen verbergen sich die Nahrungsorganismen zudem besonders gut. Außerdem brauchen Alt- und Jungvögel aufgrund der niedrigen Temperaturen jetzt mehr Nahrung, um ihre Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Der erhöhte Bedarf lässt sich selbst bei maximaler Aktivität vieler Vogeleltern oft nicht decken, so dass zuerst die jüngsten Nestgeschwister verhungern. Bei anhaltend niedrigen Temperaturen und Dauerregen sind aber oft auch die anderen Jungvögel betroffen, so dass derzeit häufig ganze Bruten umkommen.
Und nicht nur Kleinvögel wie Meisen, Amseln oder Finken sind von diesen Verlusten betroffen. Auch die Bruten von Großvögeln wie Weißstorch oder Rotmilan haben oft mit der verregneten Witterung zu kämpfen. So sind in fast der Hälfte der südhessischen Storchennester schon verhungerte oder unterkühlte Jungvögel gefunden worden, in manchen Nestern regt sich gar kein Leben mehr.
Auch wenn sich in den Nestern nach menschlicher Sichtweise derzeit Dramen abspielen: Grundsätzlich sind unsere Vogelarten an solche Verluste angepasst und keine Art allein durch die Witterung bedroht. Selbst doppeltes Pech wie die Folgen langer Winter und einer verregneten Brutzeit können die meisten Arten durch ihre große Vermehrungsrate in günstigen Zeiten prinzipiell schnell wieder ausgleichen. So kann ein zweimal brütendes Blaumeisenpaar in nur einem Sommer bis zu 25 Jungvögel großziehen, die die freigewordenen Reviere schnell auffüllen. Amselpaare mit drei Bruten „schaffen“ immerhin noch bis zu 15 Junge.
Allerdings gilt das heutzutage nur noch eingeschränkt. Zu sehr haben wir Menschen die Lebensräume der Vogelarten verändert: Statt artenreicher Mischwälder Nadelholz-Monokulturen geschaffen, anstelle von bunten Wiesen Ackerflächen angelegt und die Obstwiesen in unseren Gärten durch Zierrasen ersetzt. Da fällt es den Vogeleltern oft schon in günstigen Jahren schwer, erfolgreich Junge aufzuziehen. Doch eine gute Nachricht gibt es: Helfen kann jeder, der im Garten mehr Natur zulässt und so die Überlebenschancen „seiner“ Vögel auch während ungünstiger Witterung fördert.