Vom Nil an die Schwalm
Fehlt noch im Vogelbuch: Die Nilgans
Schwalm. Immer häufiger wird die aus Afrika stammende Nilgans in den letzten Jahren auch entlang der Schwalm beobachtet. Die überhaupt erste Meldung der Art aus Nordhessen liegt nur etwa 15 Jahre zurück und schon brüten allein im Schwalm-Eder-Kreis etwa 30 Paare. Der Sommerbestand ist sogar auf zeitweise über 150 Tiere angewachsen. Die meisten Brutplätze befinden sich im Mittel- und Nordkreis, vor allem entlang der Eder. Aber auch im Raum Schwalmstadt haben sich einige Paare angesiedelt, z.B. am Segelflugplatz oder im Hochwasser-Rückhaltebecken bei Ziegenhain, zwischen Treysa und Rommershausen oder bei Loshausen.
Bei diesen Vögeln handelt es sich keinesfalls um Auswanderer aus Afrika, sondern vielmehr um ein herausragendes Beispiel, wie sie die globalen Handelswege schon früh auch auf viele Tier- und Pflanzenarten ausgewirkt haben. Vor etwa 350 Jahren brachten die Briten die große und auffällig gefärbte Nilgans von ihren Weltreisen erstmals mit nach England. Vor 100 Jahren entwickelte sich daraus eine freilebende Brutpopulation, die sich in den 1970er Jahren in die Niederlande ausbreitete. Von hier erreichten die ersten Nilgänse nur zehn Jahre später auch Hessen, wo inzwischen etwa 400 Paare brüten. In Deutschland beträgt der Brutbestand mittlerweile etwa 1.500 Paare. Das ist für einen Neusiedler zwar eine rasante Entwicklung, verglichen mit z.B. der heimischen Stockente sind die Zahlen aber sehr gering. Tierarten, die wie die Nilgans zuvor in anderen Weltgegenden lebten und sich in unseren Breiten nur mit Hilfe des Menschen ansiedeln konnten, werden als Neozoen bezeichnet.
Die Bestandsentwicklung der Nilgang vollzog sich derart rasch, dass die Art in vielen Vogelbüchern noch nicht enthalten ist. Das Foto zeigt daher die typischen Merkmale der Art. Neben der Größe (wie eine große Stockente oder kleine Gans) fällt der relativ lange Hals, kurze Schnabel, die langen, rosa gefärbten Beine, besonders aber das leuchtend beige- und rotbraune Körpergefieder auf. Im Flug stechen die schneeweißen Vorderflügel auffallend hervor. Wer genau hinsieht, kann zudem einen braunen Ring um die Augen und (auf dem Foto nicht zu sehen) einen braunen Fleck auf der Brust erkennen.
Ein Grund für die schnelle Ausbreitung der Nilgans ist in ihrem afrikanischen Ursprungslebensraum zu suchen. Hier bedrohen zahlreiche Fleischfresser wie Affen- oder Katzenarten ihre Brut, so dass Nilgänse in der Lage sind, ihren Nachwuchs vehement zu verteidigen – bei uns auch gegen Füchse oder Marder. Oft brüten sie sogar, wie noch heute in Afrika, aber untypisch für heimische Enten- oder Gänsearten, hoch in Bäumen in alten Greifvogelnestern oder an Gebäuden. Hier sind die Gelege vor Feinden bestens geschützt. Die auffallende Aggressivität gegenüber Raubsäugern wie Füchsen kann an Parkgewässern oder Stadtteichen auch zu Attacken auf andere Wasservögel führen. Außerhalb von Ortschaften hingegen ist der Umgang mit den anderen Vogelarten hingegen friedlich, wie auch die Nilgänse der Schwalm immer wieder zeigen.