Weißstörche | HGON Hess. Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Weißstörche

Doku-Soap vom Storchennest

Drunter und drüber – Adebars Privatleben

Manche Tierarten gelten als sinnbildliche Verkörperung menschlicher Tugenden. Die Ergebnisse moderner Forschung stimmen jedoch nicht immer mit der Erwartung des Volksmundes überein. So gilt der Weißstorch etwa als Beispiel für lebenslange Partnertreue.

Nur selten ermöglichen auch moderne Forschungsmethoden einen intimen Einblick in das Leben der untersuchten Tierarten. Die Beringung von Großvögeln mit weithin sichtbaren Farbringen, deren Nummernkombination ein individuelles Erkennen mit dem Fernglas oder einem stark vergrößernden Spektiv noch aus einer Entfernung von mehreren hundert  Metern erlaubt, ist dafür ein schönes Beispiel.

So lassen sich vom Storchenhorst in Loshausen aus den Februarwochen 2011 Geschehnisse rekonstruieren, die den Irrungen und Wirrungen unserer Vorabendserien in nichts nachstehen. Zunächst erschien im Februar wie gewohnt das Storchenpaar aus dem Winterquartier, doch ergab die Kontrolle der Ringe eine erste Überraschung: Es war nicht das letztjährige Paar, sondern zwei Störche, die bis dahin an der Eder bei Wabern gebrütet hatten. Dort konnten sie 2010 leider keine Jungvögel aufziehen, was wohl das Interesse für Wohnortwechsel erklärt. Dennoch wurden sie kurz darauf für wenige Tage wieder in Wabern, danach erneut in Loshausen beobachtet.

 

Dramatisch wurde es, als die vorjährige Horstinhaberin nach Loshausen zurückkehrte. Nach langen, intensiven Kämpfen um den Brutplatz setzte sie sich letztlich gegen die Waberner Störche durch. Allerdings flog nur das Weibchen des Paares nach Wabern zurück. Das Männchen zeigte sich sehr flexibel und verpaarte sich umgehend mit dem siegreichen Weibchen! Aus biologischer Sicht ist dieses Verhalten übrigens verständlich: Mit dem siegreichen Weibchen ist die Aussicht auf Bruterfolg am größten.

Loshausen I fuer Weissstoerche

Horst Loshausen I, Foto: Manfred Gunia

Das neue Glück währte dennoch nicht lange – den Waberner Storchenmann zog es zurück zu seiner alten Liebe auf den Horst an der Eder.

Weißstorch_1 Horst Ederauen

Storchenpaar zurück auf dem Horst Wabern I, Ederauen, Foto: Christian Gelpke

 

Auch das siegreiche Weibchen blieb nicht lange allein: Es erhielt nach wenigen Tagen Besuch von einem Männchen, das bisher in der Schwalm noch nicht in Erscheinung getreten war. Obwohl sich die Vögel schon nach wenigen Stunden paarten (wie das beim Weißstorch so üblich ist), verließ auch dieser Storchenmann das weibliche Tier und siedelte sich auf dem neu errichteten Horst der Domäne Schafhof in Ziegenhain an.

Horst Loshausen Schafhof, Foto: Manfred Gunia

Allerdings währte der Aufenthalt dort nur etwa eine Woche, dann flog der Storch reumütig nach Loshausen zurück. Gerade noch rechtzeitig, um die Ankunft des nun ebenfalls aus dem Winterquartier zurückgekehrten letztjährigen Männchens vom Loshäuser Horst abzuwehren. Aber: Alte Liebe rostet nicht, dieser Storch wartet nun am Schafhof treu auf die Wiedervereinigung mit seiner alten Partnerin… Wahrhaft komplizierte Verhältnisse, die nur anhand der Beringung der Störche aufgeklärt werden konnten. Andere Fälle beringter Störche geben aber auch Beispiele für langjährige Partnertreue, so dass beim Weißstorch wirklich alle Varianten des Zusammenlebens vorkommen – besser kann es keine Vorabendserie!

 

Arbeitskreis Schwalm-Eder