Feldlerchen: Frühlingsboten und Kämpfernaturen
Wer beim Spaziergang in offenen Ackerlandschaften aufmerksam beobachtet, hat sie vermutlich schon gesehen: die Feldlerchen sind zurück. Viele sind noch in Schwärmen und Gruppen zusammen, andere haben aber auch schon ihre Reviere besetzt und zeigen mit ihrem typischen Singflug, dass der Frühling nicht mehr weit ist.
Mit der Wahrnehmung als „Frühlingsbote“ ist es aber so eine Sache: wir Menschen verbinden mit der singenden Lerche warme Sonnentage, für den Vogel selbst ist die frühzeitige Ankunft nicht ohne Risiko. Er hat ein ausgeprägtes Gespür für die Großwetterlage, die derzeit nach wie vor mild und frühlingshaft ist, kann aber plötzliche Wetterumschwünge nicht vorhersagen. So waren im Jahr 2013 schon viele zehntausende Feldlerchen und andere Zugvögel zurückgekehrt, als noch am 10. März der Nachwinter für einen Monat mit Schnee und Kälte einzog. Das kostete vielen Zugvögeln, darunter auch ungezählte Feldlerchen, das Leben.
Wenn es aber mild bleibt, lohnt sich das Risiko der frühen Ankunft im Brutgebiet. Wer zuerst eintrifft, besetzt die besten Reviere und kann dort die meisten Jungen aufziehen. Und da sich der Erfolg eines Individuums in der Natur allein an der Zahl seiner Nachkommen bemisst, setzen derzeit viele Lerchen, trotz der Erfahrungen aus dem Schnee-März 2013, alles auf eine Karte und besetzen schon die Brutgebiete.
Feldlerchen sind an ihren Lebensraum in weitläufigen, offenen Feldlandschaften perfekt angepasst. Da es in Steppenlandschaften von Natur aus kaum Gehölze gibt, brüten die hier vorkommenden Vogelarten am Boden und suchen dort auch Nahrung. Wer aber am Boden zuhause ist und bei Gefahr nicht in dichtes Gebüsch flüchten kann, muss sich tarnen, um seinen Feinden zu entgehen. Deshalb ist die Feldlerche in verschiedenen Brauntönen gemustert – gut getarnt und unauffällig entgeht sie eher dem Blick zum Beispiel von Greifvögeln. Das Bodenleben bringt noch weitere Schwierigkeiten mit sich. Während Amseln, Finken oder Meisen den Gesang zur Revierverteidigung von Baumspitzen weithin hörbar vortragen, ist ein Sänger am Boden für eine wirksame Revierabgrenzung zu unauffällig. Das ist der Grund, warum Feldlerchen und andere Bodenvögel wie Wiesenpieper ihren Gesang weithin hör- und sichtbar in einem auffälligen Singflug vortragen. Er sieht für uns leicht und beschwingt aus, bedeutet für den Vogel letztlich aber eine enorme Kraftanstrengung. Etwa so, also wollten wir bei einer zwanzig-minütigen Tour mit dem Rennrad auch noch vollendet eine Arie schmettern.
Für die Feldlerchen-Weibchen hat dieses Verhalten aber auch einen wichtigen Vorteil. Sie erkennen an der Ausdauer, mit der die Männchen den Singflug zeigen, schnell die Kondition der Sänger und verpaaren sich gezielt mit den fittesten Wettbewerbern. Man könnte also sagen: wo wir Menschen mit romantischem Blick tirilierende Frühlingsboten sehen, tobt hinter den Kulissen der Natur der ewige Kampf um Überleben und Fortpflanzung.