Kategorie-Archiv: Besonderheiten

Mauser

Enten-Mauser

Wo sind all´ die Erpel hin?

Vor wenigen Wochen war noch alles „wie immer“. Unter den Enten auf dem Wallgraben in Ziegenhain oder entlang der Schwalm waren genauso viele bunt gefärbte Erpel wie unauffällig gemusterte Weibchen. Wer sich die Tiere nun anschaut, muss feststellen: Die Erpel mit ihrem leuchtend grünen Kopf, der dunkelbraunen Brust und dem auffallend hellgrauen Körpergefieder sind verschwunden, es sind nur noch „braune Enten“ unterwegs!

Diese auf den ersten Blick fast schon unheimliche Beobachtung lässt sich jedes Jahr bestätigen. Im Juli und August sind die bunten Männchen nicht zu sehen. Aber keine Sorge, die Erpel sind noch da – sie haben sich allerdings eine Tarnkappe zugelegt. Wer die Tiere über einige Wochen beobachtet, kann dies selbst verfolgen: Im Mai bekommen die Erpel erste braune Federn im sonst so auffallenden Federkleid, im Juni sind sie schon überwiegend braun und nun im Juli und August kaum noch von den tarnfarbenen Weibchen zu unterscheiden. Nur der ganzjährig gelbe Schnabel unterscheidet sie nun von den Weibchen, die eine orange und dunkel gemusterte Schnabelfärbung tragen.

Stockenten-Erpel im Tarnkleid, nur am gelben Schnabel von Weibchen zu unterscheiden. Foto S. Stübing

Stockenten-Erpel im Tarnkleid, nur am gelben Schnabel von Weibchen zu unterscheiden. Foto: Stefan Stübing

 

Die Umfärbung der Erpel erfolgt durch die Mauser, die auffälligen Federn fallen nach und nach aus und werden durch das braune Tarnkleid ersetzt. Im September werden die braunen Federn des so genannten Schlichtkleids wieder nach und nach in das bunte Prachtkleid verwandelt. Mit dem dann wieder auffallenden Körperschmuck werben die Erpel im Winterhalbjahr um die Enten, bis im nächsten Mai der Zyklus erneut beginnt.

Aber warum betreiben die Erpel diesen auffallenden, doppelten Federwechsel, wenn die Produktion jeder neuen Feder energieaufwändig ist und fast alle anderen Vögel nur einmal im Jahr mausern? Der Grund ist ebenfalls Mauser-bedingt: Stockenten erneuern wie alle Entenarten ihr Fluggefieder, indem sie alle Flügelfedern innerhalb weniger Tage gemeinsam „abwerfen“. Dadurch werden sie aber für einige Zeit vollkommen flugunfähig. Ein bunter, aber flugunfähiger Vogel von der Größe einer Ente wäre jedoch für jeden Beutegreifer wie Fuchs oder Greifvogel eine Einladung zum Festessen. Daher tarnen sich die Erpel zunächst durch ein braunes Körpergefieder, bevor sie die Schwungfedern abwerfen. Nachdem diese nachgewachsen sind, wird auch das Körpergefieder wieder in das auffällige Prachtkleid gewechselt.

Für viele Entenarten stellt diese flugunfähige Zeit auch ein Problem bei der Nahrungsbeschaffung dar. Sie suchen daher so genannte Mauserplätze auf, die neben Sicherheit gegenüber Feinden auch ausreichende Nahrung bieten. Diese Mauserplätze erfüllen die Bedürfnisse der dann flugunfähigen Tiere derart optimal, dass sie z.T. aus Entfernungen von mehr als tausend Kilometern angeflogen werden!

So mausert die gesamte europäische Population der Brandente an der Nordseeküste im Bereich der Elbemündung. Selbst die am Mittelmeer brütenden Brandgänse fliegen zur Mauser dort hin. Die in England brütenden Gänsesäger mausern hingegen in einem großen Fjord in Nord-Norwegen, die spanischen Kolbenenten zieht es zum Bodensee.

 

 

Tannenmeisen

Genau hingeschaut

Invasion von Tannenmeisen – Bruchpiloten auf Wanderschaft

Tannenmeisen sind schlechte Flieger, die den schützenden Nadelwald, in dem sie brüten, nur ungern verlassen. Wenn sie das doch tun müssen, schrauben sie sich mühsam auf eine Flughöhe von etwa 200 Meter, um so den in Bodennähe jagenden Greifvögeln aus dem Weg zu gehen. Sobald sie wieder Wald unter sich haben, lassen sie sich wie kleine Steine wieder rasch nach unten fallen und verschwinden schnell im Astgewirr.

Selbst nur wenige hundert Meter breite Felder zwischen zwei Waldgebieten können die Tiere daher nur mit großem Aufwand überbrücken. In den letzten Wochen August/September 2012 machte sich aber eine der seltenen Invasionen bemerkbar, bei der Tannenmeisen mehrere tausend Kilometer zurücklegen können. Warum tun sich die Bruchpiloten das an?

Unter nahrungsreichen Bedingungen können Tannenmeisenpaare bis zu 30 Junge in drei Bruten in nur einem Sommer aufziehen. Sie sind damit so reproduktionsfreudig wie kaum eine andere heimische Vogelart. Nach einem guten Brutjahr kann daher die Nahrung für die kleinen Vögel knapp werden, besonders dann, wenn auch die anderen Meisenarten erfolgreich brüten konnten. Diese sind den kleinen Tannenmeisen körperlich überlegen und verhindern oft deren erfolgreiche Nahrungssuche. Dann bleibt vielen Tannenmeisen keine andere Wahl, als sich in Schwärmen auf Wanderschaft zu begeben und auf bessere Nahrungsgründe in der Fremde zu hoffen. So erreichte eine beringte Tannenmeise aus Niedersachsen im Herbst 1974 nach einer Wanderung von gut 2.600 Kilometern sogar Marokko, zwei Vögel aus Ostdeutschland immerhin Spanien. Ein kaum vorstellbarer Aufwand, wenn schon die Überquerung von 500 Meter baumfreier Feldlandschaft das Äußerste abverlangt.

Die  Invasion im September 2012  beruhte vermutlich auf der starken Fichtenmast des vergangenen Winters. In Mastjahren der Fichte, deren Samen die Meisen häufig als Nahrung nutzen, ist die Überlebensrate und oft auch der Bruterfolg im anschließenden Frühjahr größer als sonst. Das wiederum hat Folgen, ihnen geht sprichwörtlich die  Nahrung aus. Dies eröffnet die seltene Möglichkeit, Tannenmeisen auch im eigenen Garten zu beobachten, da die kleinen Wanderer auch gerne durch die nadelholzreichen Ortslagen ziehen. Oft machen sie zuerst mit einem ungewohnten, lauten „tsuist!“ auf sich aufmerksam. Wer dann genau hinschaut, erkennt eine klein, kurzschwänzige Meise. Durch den schwarzen Kopf mit dem auffälligen weißen Wangenfleck ähneln sie den bekannten Kohlmeisen, die aber wesentlich größer sind und einen gelben Bauch (beigebräunlich bei der Tannemeise) zeigen. Das beste Merkmal der Tannenmeise ist ein großer, rechteckiger, weißer Nackenfleck, der allerdings nicht leicht zu sehen ist, wenn die Winzlinge nervös in Nadelbäumen umher turnen und sich für die Überquerung der 300 Meter bis zur nächsten Hecke bereit machen.

Tannenmeise_Durchzügler_2013_05_01_Mörnsheim_BY_TS3
Tannenmeise
Zum Vergleich die Kohlmeise
Weibliche Kohlmeise , erkennbar am zum Bauch hin auslaufenden schwarzen Brustband. Foto_C. Gelpke